VON DER GEZÄHMTEN WILDEN
Die Isar ist ein dynamischer Wildfluss. Sie scheint beständig bemüht ihr Erscheinungsbild zu ändern. Besonders gut kann man das von diesem Aussichtspunkt beobachten, wo sich die Isarauen mit ihren zahlreichen unterschiedlichen Lebensräumen wie ein Mosaik vor den Augen des Betrachters entfalten. Auch Biberburgen sind mit dem Fernglas zu erkennen.
Von diesem Standort aus können Sie Ihren Blick über die einzigartige Schönheit einer der letzten Wildflusslandschaften Deutschlands schweifen lassen. Zwischen jedem Ihrer Besuche wird sich der Anblick verändert haben – denn genau das ist für einen Wildfluss charakteristisch: Die sensibel von Witterung und Jahreszeit abhängige Flussdynamik arbeitet ununterbrochen an der Landschaft. Auch wenn inzwischen der Nachschub durch den Sylvensteinspeicher und das Tölzer Wasserkraftwerk unterbrochen ist, transportiert die Isar dennoch einiges an Material flussabwärts: das sogenannte Geschiebe. Damit bezeichnet man alles, was ein Fluss peu à peu voranträgt. Das können organische Dinge sein wie Holz, andere Pflanzenteile, Samen und Lebewesen, umfasst aber vor allem Gestein unterschiedlicher Größe. Von Sand über Kies bis zu Geröll und großen Brocken ist alles mit dabei – natürlich in unterschiedlicher Geschwindigkeit und abhängig von der aktuellen Fließgeschwindigkeit und geführten Wassermenge der Isar.
Mit der Zeit verändert sich somit die Umgebung des Flusses – in den kurvigen Abschnitten ist dies besonders gut zu beobachten: An der Außenseite einer Flussbiegung entstehen steile Prallhänge, an welchen Material abgetragen wird, während an der Innenseite einer solchen Kurve wiederum Material abgelagert wird und sich die flacheren Gleithänge entwickeln. Womit die Natur selbst wunderbar umgehen kann, wurde und wird für so manche menschliche Struktur als unpraktisch identifiziert: Ein Fluss, der sich nahezu unplanbar ausdehnt und wandelt? Ein Ding der Unmöglichkeit für gewässernahen Straßenbau oder gar Städteplanung. Darum wurden viele Flüsse – so auch die Isar, besonders ab München – in befestigte Betten und Kanäle mit verbauten Ufern gezwängt. Der Effekt: Die Kraft des Wassers wird vom Ufer abgelenkt und arbeitet sich dafür am Grund des Flusses ab. In der Folge wird dieser immer tiefer und reißender. Lebewesen und Pflanzen, die flacheres Fließwasser oder gar Stillwasserzonen, Kiesbänke oder im Wasser liegendes Totholz benötigen, verlieren ihre Lebensräume. Die Lebensraumvarianz des von der Flussdynamik abgeschnittenen Landes wird ebenso reduziert. Die Uferbereiche fallen trocken, verbuschen und verlanden.
Im Gegensatz dazu blicken Sie in diesem Moment über ein buntes Mosaik an Habitaten, geschaffen vom letzten Wildfluss Deutschlands – an einem der Abschnitte, wo die Isar noch nicht gezähmt wurde.
Kontakt
Stadt Geretsried82538 Geretsried